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Abschied von der Musikhochschule Hannover - Rede des Präsidenten, Prof. Peter Becker

(nachdem der Chor "Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten" aus den Liebesliederwalzern von Johannes Brahms gesungen hatte).

Willkommen und Abschied
Valet für Franz Amrhein

“Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten!“ Nun, angenommen, diese Worte von Georg Friedrich Daumer fänden sich als Begründung für einen Antrag auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand, dann wäre der mit Sicherheit nicht von Franz Amrhein. Flucht oder Ausflucht nämlich waren seine Sache nie. Und "mit den Leuten" kommt er allemal aus. Kein Fluchtgedanke also. Wenn wir nach dem "Fluchtpunkt" fragen, kommen wir der Sache schon näher.  Der Fluchtpunkt nämlich ist in der Sprache der Geometrie der Bildpunkt eines unendlich entfernten Punktes. Damit aber reden wir ja von einer Perspektive, das heißt auch von einer Erwartung, und die kulminiert in dem, wonach wir uns alle sehnen, in der Erfüllung, die wir durch unseren Beruf erfahren. Von diesem Beruf werden wir uns nie ganz lösen können (und wollen),wohl aber scheint mir wie Franz Amrhein der Dauersummton der Verantwortung verzichtbar,  die der Sprecher des Lehrgebietes Musik und ihre Didaktik nach 10 Jahren nunmehr Jüngeren zumutet und zutraut.

Seien Sie alle willkommen zu diesem Abschied, der wie jeder gute Abschied gesprenkelt ist:  eine Mischung aus Dankbarkeit, Erinnerung und leiser Wehmut. Dankbar sind wir dafür, daß uns Franz Amrhein ein wohlbestelltes Haus hinterläßt. Es trägt die Handschrift von einem, der seiner Dissertation diese Worte vorangestellt hat: ...allen Schülern, vor allem den Sonderschülern, in der Hoffnung auf eine freudvollere Schule gewidmet. Zu dieser Handschrift gehören auch ganz reale Orte, zum Beispiel Wohldenberg und Neu-Erkerode. Begegnung mit den Kommilitonen und Kollegen in den ersten Studientagen dort, Begegnung mit behinderten, liebe- und hilfsbedürftigen Menschen hier. Daß und wie selbstverständlich sie in die musikalischen Aktivitäten des Lehrgebietes einbezogen wurden, gehört zu den prägenden Erfahrungen der Studierenden. Die nachhaltigste Erfahrung aber, die sich mit Neu-Erkerode verbindet, ist wohl, daß die Studentinnen und Studenten als Gebende zugleich vielfach entlohnt wurden, beschenkt mit etwas, was den uns so vertrauten Umgang mit Musik weit hinter sich läßt.Zu Franz Amrheins Handschrift gehören aber auch kalendarische Orte:gliedernde und sammelnde wie die Semesterschlußmusiken und die Ehemaligen- treffen. Daß solche Präsentationen den künstlerischen Anspruch nicht unterlaufen sollten, stand für den Schul- und Kirchenmusiker Franz Amrhein ebensowenig zur Diskussion wie ein weit zu fassender Musikbegriff, der archaisches Trommelwerk und musikalische Avantgarde, die musikalische Umwelt der Schüler wie die große musikalische Tradition einbezieht.

Sein von künstlerischen wie von pädagogischen Intentionen gleichermaßen bestimmtes Konzept konnte sich zum einen auf jene Rahmenbedingungen stützen, die seit dem Koopera-tionsvertrag zwischen Universität und Hochschule von 1986 gegeben sind. Mit guten Gründen begrüße ich an dieser Stelle den langjährigen Präsidenten und Ehrenbürger unserer Hochschule, Richard Jakoby, und den Amtsvorgänger von Franz Amrhein, Herrn Klausmeier. Aber: Rahmenbedingungen allein tun es nicht. Es bedarf einer Kollegenschaft, die am selben Strick zieht – und das nach Möglichkeit in ein und derselben Richtung. Und die gab es und gibt es Gott sei Dank. Seien Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Bismarck-straße und vom Emmichplatz, sehr herzlich willkommen.Doch was wären alle künstlerischen und pädagogischen Bemü-hungen ohne eine aufgeschlossene Studentenschaft, die sich bei aller Belastung durch einen dichtgefügten Studienplan jene Gelassenheit und innere Weite zu bewahren weiß, ohne die weder Kunst noch Pädagogik noch überhaupt ein menschliches Miteinander denkbar sind. Ihnen, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen von einst und heute,  ein herzliches Willkommen!

Zu den Wasserzeichen der Ära Amrhein gehört auch das immer neu zu vermessende Verhältnis von wissenschaftlichem Nachdenken und schulischer Unterrichtspraxis und die permanent mitschwingende Frage nach der Leistungsfähigkeit von Theorieentwürfen. Wer aber weiß, bei wem Franz Amrhein promoviert wurde, wird darin eine ebenso markante wie höchst plausible Spur erkennen. Verehrter Herr Doktorvater von Franz Amrhein, lieber Herr Kollege Klafki, wir freuen uns ganz besonders, daß Sie heute bei uns sind.

Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich Sie –  die Studienkollegen von Franz Amrhein aus alten Tagen, die Freunde, die Vertreterinnen und Vertreter vieler Fachbereiche der Universität – sozusagen als eine einzige große und "nicht teilbare Freude"  an diesem Tag in Gänze begrüße. Daß Sie nicht nur zugesagt haben, sondern auch wirklich gekommen sind, gibt eine leibhaftige Vorstellung davon, was gelebte Kooperation, kollegiale Verbundenheit und Dankbarkeit sein kann. Ein Name aber muß noch fallen, denn ohne die umsichtige und liebevoll angepackte Arbeit, die Frau Busse geleistet hat, wären wir heute vielleicht irgendwo, aber nicht hier. Dafür, liebe Frau Busse, gilt Ihnen unser aller Dank.

Sie alle, meine Damen und Herren, ehren durch Ihr Kommen einen Mann, der sich sonst fast provokativ dem ehrenden Zugriff entzieht. Wir kennen ihn in sanfte Farben gekleidet — aber auch höchst unsanft, wenn es darum geht, seinen Studenten und Kollegen und der Sache Musik zu ihrem Recht zu verhelfen. Als Unsanfter und Unabweisbarer kam er immer wieder mit seinen Anliegen, und dann war er wie ein barocker Poet ein Meister der insistierenden Nennung und von keiner Sekretärin am Emmichplatz abzuwimmeln. Und das war gut so. Wir kennen ihn im Parka auf dem Fahrrad die Distanz zwischen Emmichplatz und Bismarckstraße überwindend. Wir kennen ihn mit grauem Schopfe und heiterem Blick, den er ganz schnell düster einfärben kann, wenn er im Konzil oder in der Fachkommission seine Sache verficht, und wir kennen ihn als jemand, der noch staunen und – wie György Ligeti –  schwärmen kann. Daß so einer mit dem curricularen Kauder-welsch gelegentlich auf Kriegsfuß steht, zugleich also Partner seiner Studenten und Partisan einer kunstfernen ministeriellen Obrigkeit wird – wen wundert's! Nicht zuletzt kennen wir Franz Amrhein als jemand, der seine tiefen Erfahrungen mit der Musik anderen mitteilen möchte, wie er überhaupt, so will es mir scheinen, gerne alles mit anderen teilt. Das alles gehört zu seinem Eigen-Sinn, macht Franz Amrhein zu einem ganz Eigenen in seinem schönen Metier. Auch heute teilt er wieder mit uns, nämlich das gesprenkelte Gefühl eines selbstgesetzten Abschieds. Gesprenkelt, weil in diesem Abschied Dank und kostbare Erinnerung mit leiser Wehmut sich mischen.

"Willkommen und Abschied" – Goethe hat dieser lebenssatten Dialektik ein lyrisches Denkmal gesetzt.  Und Schubert hat sie zum Klingen gebracht. Was können wir Franz Amrhein und seiner lieben Frau im Schubertjahr 1997 also Schöneres schenken als eine Faksimile-Ausgabe von 16 Schubert-Liedern auf Gedichte von Goethe.  Haben Sie beide Ihre Freude daran, wie sich in Schuberts schöner Notenschrift die Balken biegen. Dank und Adieu, lieber Franz Amrhein! Und auch in Zukunft immer und immer wieder ein herzliches Willkommen in Ihrer Hochschule.

Peter Becker

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